Warum ist Schwefelwasserstoff nicht flüssig wie Wasser?*
Der molekulare Aufbau von Schwefelwasserstoff (H2S) H-S-H ist dem von Wasser (H2O) H-O-H sehr ähnlich. Nur das Sauerstoffatom beim Wasser ist durch das Schwefelatom beim Schwefelwassertstoff ersetzt.
Das lässt die Vermutung zu, dass der Schwefelwasserstoff auch, wie das Wasser flüssig sein müsste*. Es ist sicher bekannt, dass ein Wassermolekül ein Dipol ist, d.h. das Molekül ist auf der einen Seite positiv und auf der anderen Seite negativ geladen. Diese Eigenschaft lässt das Wasser flüssig werden, da es Cluster (zusammenhängende Moleküle) bildet. Der Dipol sorgt für zusätzliche Bindungen zwischen den Wasserstoffatomen eines Wassermoleküls und dem Sauerstoffatom eines anderen Wassermoleküls. Die positiven Wasserstoffatome ziehen die negativen freien Elektronenpaare des Sauerstoffatoms an. Es entsteht eine vorübergehende Bindungen, die als Wasserstoffbrückenbindungen bezeichnet werden. Bilden sich ganze Kompexe aus Wassermolekülen, spricht man von Clustern. |
Ist das beim Schwefelwasserstoff nicht auch so?
Die Frage: Warum ist Schwefelwasserstoff nicht flüssig wie Wasser? müsste richtigerweise lauten: Warum ist Wasser nicht gasförmig wie Schwefelwasserstoff? Wenn man die Charakteristika des Wassers beispielsweise neben Schwefelwasserstoff auch von Wasserstoffselenit (H2Se) ableiten würde, müsste das Wasser bei -93 °C sieden und bei Zimmertemperatur ein Gas sein. Was bewirkt also den Unterschied? Der Winkel, den die Wasserstoffatome zueinander haben, ist bei H2S mit 92,1° etwas kleiner wie beim H2O mit 104,45°. Das macht es also nicht aus. Es liegt am Sauerstoffatom mit seiner Elektronegativität von 3,44 nach der Pauling-Skala gegenüber Schwefel mit 2,58. Schwefelwasserstoff hat damit eine eine geringere Elektronegativität (d.h. der Dipol ist geringer ausgeprägt) und diese reicht nicht aus um Schwefelwasserstoff füssig zu machen*. Das elektrische Dipolmoment ist bei Wasser 1,844 Debey und bei Schwefelwasserstoff 0,97 Debey, also nur halb so groß und so bleibt H2S bei Raumtemperatur und normalen Luftdruck gasförmig.
Da aber trotzdem ein Dipol vorhanden ist fliesst es wie Wasser. Es ist 19% schwerer wie Luft. Könnte man den Schwefelwasserstoff sehen, würde man beobachten können, dass es wie Wasser sich am tiefsten Punkt sammelt und Pfützen und Teiche bildet.
Diese Eigenschaft hat schon Vielen das Leben gekostet, da z.B. eine Klärgrube oder eine Jauchegrube mit Schwefelwasserstoff wie eine Flüssikeit unsichtbar gefüllt war. Beim Betreten, etwa über eine Leiter, ist dann das Opfer regelrecht in Schwefelwasserstoff ertrunken. Es reicht also nicht aus nur den Deckel aufzumachen und zu glauben, damit wird die Grube belüftet!
* Bei einer Temperatur von 20 °C und einem Druck von 101,325 kPa